Lässt das Gehirn im Alter nach?
Das Gehirn ist der Grundstein allen Denkens. Es ist unter anderem fähig, Erinnerungen zu speichern, Zusammenhänge herzustellen, Gefühle zu erzeugen und Schmerzen zu empfangen. Das Gehirn ist ein komplexes System, das für unser Leben eine wesentliche Rolle spielt. Trotzdem sind noch lange nicht alle Mythen rund um das Gehirn geklärt. Deshalb schaffen wir Klarheit – in 47 Spezialgebieten, wie beispielsweise der Neurologie.
Das «alte» Gehirn ist nicht schlechter
Unser Gehirn verändert sich im Laufe des Lebens. Während wir in jungen Jahren besonders gut darin sind, Neues zu lernen und Dinge zu verarbeiten, können wir uns im Alter besser erinnern. Evolutionär ergibt das Sinn – denn in den ersten Jahren unseres Lebens muss das Gehirn alles lernen, was der Mensch zum Überleben braucht.
Im Alter hingegen müssen wir nicht viel Neues lernen. Das heisst aber nicht automatisch, dass unser Gehirn das nicht kann. Es funktioniert einfach nur anders: So können bestimmte Areale im Gehirn aktiviert werden, die früher für andere Funktionen genutzt wurden. Das Gehirn hilft sich also quasi selber aus.
Die kristalline Intelligenz
Alte Gehirne funktionieren anders als junge. Sie beherrschen aber bestimmte Funktionen sogar besser als junge Gehirne: Das Wissen, das ein Mensch im Laufe seines Lebens erworben hat, lässt sich tendenziell besser abrufen – man spricht von kristalliner Intelligenz. So verfügen ältere Menschen über eine höhere Sprachkompetenz, sie haben ein besseres Wortgedächtnis und können komplexe Situationen leichter in Zusammenhang bringen und Schlussfolgerungen ziehen.
Ältere Gehirne unterscheiden sich übrigens untereinander stärker als junge Gehirne. Das ist ein Anzeichen dafür, dass das Gehirn im Laufe des Lebens durch unterschiedliche Lebensstile, Erfahrungen und Interessen geprägt wird.
Nicht nur das Alter
«Wo habe ich den Haustürschlüssel hingelegt?» «Wann war noch mal der Arzttermin?» Oma hat schon wieder alles vergessen. Vergesslichkeit hat aber nicht zwingend etwas mit dem Alter zu tun. Natürlich altert das Gehirn mit dem Rest des Körpers mit, weshalb Gedächtnislücken mit zunehmendem Alter häufiger werden können.
Wir können aber in jedem Lebensabschnitt vergesslich sein, denn dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. So erinnern wir uns beispielsweise viel besser an Informationen, die mit Emotionen verknüpft sind. Die Umgebung spielt ebenfalls eine Rolle. Wir erinnern uns immer an den Namen der Blumenverkäuferin, wenn wir ihr im Laden begegnen – nicht aber, wenn wir sie per Zufall auf der Strasse treffen.
Weitere Faktoren, die das Gedächtnis beeinflussen, sind Stress, Erschöpfung und Flüssigkeitsmangel. Auch Krankheiten und Medikamente können das Gedächtnis schwächen.
Wenn Vergesslichkeit zum Problem wird
Gelegentliche Gedächtnisaussetzer sind völlig normal und unbedenklich. Wie soll denn das Gehirn auch immer alle Infos direkt parat haben? Häufen sich die Ausfälle oder nehmen sie ungewöhnliche Formen an (vergessen der eigenen Adresse oder der Namen der Kinder), sollte dies dringend abgeklärt werden.
Ein weiteres Indiz für eine übermässige Vergesslichkeit ist, wenn jemand vergisst, wie etwas funktioniert, zum Beispiel vertraute Arbeitsabläufe nicht mehr beherrscht. Dann ist eine Abklärung angebracht, denn das sind Anzeichen für Demenz.
Gut zu wissen
Das Gehirn ist wie ein Muskel, man kann es also trainieren. Noch besser als Gedächtnistraining wie Sudoku oder Kreuzworträtsel ist, Neues zu lernen. So stellt man das Gehirn vor neue Herausforderungen, wodurch neue Nervenzellen und Synapsen gebildet werden. Besonders anregend sind übrigens soziale Kontakte und geistiger Austausch.