Unser Ziel – eine möglichst natürliche Brust
Als Sarah T. (Name geändert) im Frühjahr 2015 erfuhr, dass sie Brustkrebs hatte, war das ein grosser Schock. Eine solche Diagnose trifft eine Frau hart und stellt das Leben auf den Kopf. «In meinem Fall war schnell klar, dass ein operativer Eingriff unumgänglich ist», sagt die 53-Jährige.
Rund ein Drittel aller Krebserkrankungen bei Frauen betrifft die Brust. In der Schweiz erhalten jedes Jahr etwa 6000 Frauen (und 50 Männer) diese Diagnose. Dabei sind Brustkrebserkrankungen in 5 bis 10 Prozent der Fälle erblich bedingt. In der Regel ist am KSW der Gynäkologe die erste Anlaufstelle. Dann wird am interdisziplinär zusammengesetzten Tumorboard jeder einzelne Fall besprochen und entschieden, wie weiter vorgegangen wird.
Erhaltung oder Amputation
Für den chirurgischen Eingriff kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Frage. «Wenn der Tumor im Verhältnis zur Brust zu gross ist, ist die Entfernung des betroffenen Organs unumgänglich», sagt Dr. med. Abdul Rahman Jandali, Chefarzt Hand- und Plastische Chirurgie am zertifizierten Brustzentrum des KSW. Das sei in etwa 30 Prozent der Fälle so.
Je früher der Tumor entdeckt wird, desto grösser sind die Chancen für eine Brusterhaltung.
Konkret bedeutet das, dass ein gleich grosser Tumor bei einer Frau mit einer kleineren Brust zu einer Amputation führen kann, während bei einer Frau mit einer grösseren Brust eine Erhaltung möglich ist. Bei einer sogenannten onkoplastischen Operation wird der Tumor herausgenommen. «Dabei bleibt die Brust erhalten, wird aber in der Regel verkleinert und wiederherstellend aufgebaut», wie Dr. med. Florian J. Jung, Stv. Chefarzt Hand- und Plastische Chirurgie, erklärt.
Auch hier wird der Eingriff zusammen mit Gynäkologen durchgeführt. In der Mehrheit der Fälle wird dann gleich auch die gesunde Brust verkleinert oder geliftet, damit die Symmetrie beibehalten werden kann.
Silikon oder Eigengewebe
Wenn eine Brust ganz abgenommen werden muss, kann heutzutage im gleichen Eingriff auch der Wiederaufbau vorgenommen werden. Nur wenige Frauen verzichten ganz auf diese Möglichkeit oder lassen die Brust erst zu einem späteren Zeitpunkt wiederherstellen.
Bei einem direkten Wiederaufbau nehmen die Ärzte den Inhalt, das Gewebe samt Tumor, aus der Brust heraus. Haut und Brustwarze können anschliessend häufig wiederverwendet werden; als Füllung bieten sich ein Silikonimplantat, Eigengewebe oder eine Hybridlösung mit dem Rückenmuskel und Silikon an.
«Grosser Leidensdruck»
Petra S. (Name geändert), eine 70-jährige Patientin aus dem Zürcher Oberland, musste sich 2015 wegen einer Krebsdiagnose eine Brust abnehmen lassen. Sie verzichtete zunächst auf ein Implantat und auf einen Wiederaufbau, der damals noch nicht sehr verbreitet war.
«Der Leidensdruck wurde aber immer grösser, so dass ich vier Jahre später auf meinen Entscheid zurückkam.»
«Der Leidensdruck wurde aber immer grösser, so dass ich vier Jahre später auf meinen Entscheid zurückkam», sagt sie. Im März 2019 wurde bei ihr am KSW die Brust mit Eigengewebe aus dem Bauch rekonstruiert. «Für diese Operation bin ich von einem anderen Spital ans KSW verwiesen worden, weil hier die Expertise dafür sehr gross ist.» In einem zweiten Eingriff im Juli passten die Chirurgen noch ihre zweite Brust an.
Fällt die Wahl auf einen Aufbau mit Eigengewebe, wird dieses vom Arzt in einem hochspezialisierten mikrochirurgischen Eingriff am Gesäss, an den Oberschenkeln oder am Bauch entnommen. Die Verwendung von Eigengewebe für den Aufbau ist laut Dr. Jung meistens möglich, nicht ganz immer, gewinne aber allgemein an Beliebtheit und laufe Silikon den Rang ab.
Auch bei Sarah T. wurde dieses Verfahren angewendet. «Das Eigengewebe wurde vom Bauch genommen», sagt sie. Ausschlaggebend dafür, dass sie sich für diese Methode entschieden habe, sei die Beratung durch Dr. Jung gewesen. «Überhaupt habe ich mich sehr wohl gefühlt am KSW und wurde gut betreut.»
Wichtige Nachbetreuung
Unabhängig davon, wie die Brust aufgebaut wird, ist in der Folge eine Nachbetreuung nötig und wichtig, einerseits beim Chirurgen wegen der Rekonstruktion, anderseits wegen der Krebsbehandlung beim Gynäkologen. Auch Sarah T. kommt noch regelmässig zur Kontrolle.
«Meine neue Brust ist gut herausgekommen und fühlt sich sehr natürlich an.»
Anfänglich gab es Komplikationen mit der Durchblutung der wiederaufgebauten Brust, heute ist sie mit dem Resultat sehr zufrieden. «Meine neue Brust ist gut herausgekommen und fühlt sich sehr natürlich an», sagt sie. Genau gleich äussert sich Petra S., die auch für die Nachbehandlungen ans KSW zurückkehrt.
Grosse Sicherheit beim Eingrif
Interview mit Dr. med. Abdul R. Jandali, Chefarzt Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie,
Dr. med. Florian Johannes Jung, Stv. Chefarzt Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie
Was ist der Vorteil einer Eigengewebeentnahme?
Dr. Jandali: Fett aus dem eigenen Körper für die Rekonstruktion der Brust fühlt sich in jedem Fall viel natürlicher an als ein künstliches Produkt wie Silikon. Wenn immer möglich wenden wir dieses Verfahren an, das auch von den meisten Patientinnen begrüsst wird.
Dr. Jung: In diesem Bereich haben wir über all die Jahre immer mehr an Erfahrung und Routine gewonnen, so dass wir den Patientinnen grosse Sicherheit beim Eingriff und beim Resultat bieten können.
In wie vielen Fällen ist diese Methode möglich?
Dr. Jung: Heutzutage arbeiten wir doch schon in 70 bis 80 Prozent der Fälle mit einer Eigengewebeentnahme.
Dr. Jandali: Ganz wichtig auch für diese Art der Operation ist die Früherkennung des Tumors. Je früher er entdeckt wird, desto grösser sind die Chancen für eine Brusterhaltung in Verbindung mit dem Wiederaufbau mit Eigengewebe.
Wie lange dauert ein solcher Eingriff?
Dr. Jandali: Ein Eingriff mit Eigengewebeentnahme dauert etwas länger, als wenn wir Silikon verwenden. Es ist mit einem rund fünfstündigen Eingriff zu rechnen, wenn der Tumor entfernt und die Brust in der gleichen Operation mit Eigengewebe wiederaufgebaut wird.
Dr. Jung: Im Vergleich dazu geht es zweieinhalb bis drei Stunden, wenn ein Silikonimplantat zum Wiederaufbau der Brust verwendet wird.