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Nachtarbeit im KSW: Sie hilft nachts bei schwierigen Geburten

Nachtarbeit im KSW: Sie hilft nachts bei schwierigen Geburten

Das Kantonsspital Winterthur ist ein 24-Stunden-Betrieb. Für viele Mitarbeitende gehört Nachtarbeit zum Alltag. Eine von ihnen ist Deborah L.

In dieser Nacht ist Deborah L. fast allein auf dem Notfall der Frauenklinik. Für die Oberärztin ist es die dritte Nachtschicht in Folge: «Die letzten zwei Nächte war viel los. Wir hatten eine Zwillingsgeburt und mehrere gynäkologische Notfälle.» Was als Notfall gilt, ist laut der 36-Jährigen auch von der Uhrzeit abhängig. Vor 22 Uhr kämen die leichteren Fälle: «Von vaginalem Juckreiz bis rupturierten Eileiterschwangerschaften sehen wir hier alles», sagt L., die seit 2019 am Kantonsspital Winterthur arbeitet.

An diesem Tag gab es schon neun Geburten. Drei mehr als im täglichen Schnitt. Doch nun stehen die meisten Gebärzimmer leer. Ebenso die Bettchen für die Neugeborenen. Plötzlich ertönt ein Alarm. Zwei Hebammen eilen zu einem der Zimmer. Nur wenige Minuten später ist das Baby auf der Welt. Sonja W., eine der Hebammen, betritt mit einer blutigen Nabelschnur das Zimmer. «Ich teste hier den PH-Wert im Blut. Er zeigt, wie gross der Stress fürs Kind war», erklärt sie. Je tiefer der Wert, desto besser wird das Neugeborene überwacht.

Deborah L. im Schlafraum. Die 36-jährige Oberärztin hat Nachtschicht im Notfall der Frauenklinik.

Ein Drittel per Kaiserschnitt

Bei Schwangeren übernehmen Hebammen die Triage. Frauen, die in einer sehr frühen Phase der Geburt sind, können nochmals nach Hause. Wer bald soweit ist, wird allenfalls noch zum Spazieren in den Park rund ums Spital geschickt. Während der Geburt tragen Schwangere fürs CTG zwei Gurte um den Bauch: Einer misst die Herztöne des Babys, der andere die Wehen der Mutter. In einigen Gebärzimmern hat es auch Wannen, für den Fall, dass eine Frau eine Wassergeburt wünscht.

In der Schweiz kommt ungefähr ein Drittel der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Das ist auch im KSW so. Dieser Durchschnitt ist im Vergleich mit anderen Ländern hoch: «Ein Kaiserschnitt ist selten der Wunsch der Frauen, aber in manchen Fällen notwendig, etwa wenn die Plazenta vor dem Muttermund ist.» Laut Deborah L. will etwa die Hälfte der Mütter die Plazenta nach der Geburt sehen. Nur wenige nehmen sie mit, etwa um einen Baum darüber zu pflanzen. «Es gab mal den Trend, sie zu Globuli zu verarbeiten», erzählt L.. Im Praktikum in einem anderen Spital habe eine Mutter diese sogar gegessen.

Auf der Neonatologie gibt es diesen Nach noch freie Bettchen.

Bei schwierigen Geburten bietet Deborah L. ein Nachgespräch an. Etwa bei ungeplanten Kaiserschnitten, Vakuumgeburten oder grossem Blutverlust. Die meisten würden das Angebot annehmen: «Teils haben wir auch unerwartete Anfragen. Etwa bei Geburten, die aus unserer Sicht problemlos verliefen.» Die Gespräch sollen dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten und offene Fragen zu klären.

Yogalehrerin in der Freizeit

Besonders nahe geht es L., wenn ein Kind am Termin totgeboren wird: «Das kommt leider etwa einmal pro Monat vor.» In ihrem Beruf erlebt sie aber auch viele schöne Momente, etwa die Dankbarkeit der Patientinnen, denen sie helfen konnte.

Debora L. ist selbst dreifache Mutter. Die ersten zwei Kinder bekam sie während des Medizinstudiums: «Ich bin froh, dass ich damals noch nicht so viel wusste», sagt sie. Das Wissen, was schief gehen könnte, habe sie bei jeder Geburt mehr belastet. Beim dritten Kind war sie 29 Jahre alt und Assistenzärztin: «Möglich war das, weil mein Partner daheim blieb. Heute sind alle Kinder in der Schule.» In ihrer knappen Freizeit ist L.  als Yogalehrerin tätig – am Spital, aber auch im Yogamoves an der Steinberggasse: «Dort sind wir dran, einen Kurs für Schwangerschaftsyoga aufzubauen.»

Der Oberärztin gefällt an der Nachtarbeit die Unabhängigkeit. Man halte weniger Rücksprache, entscheide mehr selbst: «Es gibt Fragen, die man um drei Uhr morgens nicht stellen kann», sagt sie. Auf der Station gibt es ein kleines Zimmer mit einem Bett. Hier können sich die Ärztinnen und Ärzte in ruhigen Nächten aufs Ohr legen: «Manchmal wird man von einem Moment auf den anderen aus dem Schlaf an den OP-Tisch gerufen», sagt L. Aktuell nutzt sie die ruhigen Stunden, um sich weiterzubilden: «Mich interessiert das Operieren.» Der häufigste Eingriff in der Gynäkologie: Die Entfernung der Gebärmutter. Geburtshilfe macht L. nur im Nachtdienst.

Deborah L. fing 2019 als Assistenzärztin in der Frauenklinik an. Seit 2021 ist sie Oberärztin.

Landbote-Serie: Nachts im Kantonsspital Winterthur

In einer vierteiligen Reportageserie begleiteten Delia Bachmann (Text) und Madeleine Schoder (Bild) Menschen, die nachts im Kantonsspital Winterthur (KSW) arbeiten. Denn das Spital mit seinen 500 Betten schläft nie. Rund um die Uhr betreuen Ärztinnen und Ärzte Notfälle, bringen Mütter ihre Babys zur Welt und wachen Freiwillige über Patientinnen und Patienten. Nicht zu vergessen, die guten Seelen aus dem Reinigungsteam, die zum Beispiel nach jeder Operation die OP-Säle gründlich putzen und desinfizieren. Doch lesen Sie selbst.

Das KSW dankt dem Landboten herzlich dafür, dass wir die Reportagen, die zwischen dem 4. und 25. Oktober 2024 in der gedruckten Zeitung wie auf www.landbote.ch erschienen sind, auf unserer Website publizieren dürfen.