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Altersmedizin

Akutgeriatrie: Gestärkt zurück in den Alltag

Ältere Menschen brauchen mehr Zeit, um sich von einer Erkrankung oder einem Unfall zu erholen. Mit einem bedürfnisorientierten und massgeschneiderten Rehabilitationsprogramm hilft das interprofessionelle Team der Klinik für Akutgeriatrie am KSW Betroffenen, ihre Selbständigkeit und Mobilität wiederzuerlangen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Fall von Herr W., 83 Jahre alt

Herr W., 83, ist auf dem vereisten Trottoir gestürzt und hat sich Verletzungen zugezogen. Er wurde mit der Ambulanz zum KSW gefahren und sofort medizinisch versorgt. Seit der erfolgreichen Operation liegt er auf der unfallchirurgischen Bettenstation des zertifizierten Alterstraumazentrums. Eigentlich könnte er zuversichtlich sein. Doch er ist niedergeschlagen. Herr W. leidet auch an Herzrhythmusstörungen und ist schwerhörig. Er ist überzeugt, nicht mehr auf die Beine zu kommen und nach dem Spitalaustritt ins Pflegeheim wechseln zu müssen.

Gemeinsam zum Wohl betagter Menschen

Doch Herr W. hat Glück im Unglück. Am KSW profitiert er von der Kooperation zwischen der Unfallchirurgie und der Altersmedizin im Rahmen des Alterstraumazentrums. Das Konzept der gemeinsamen Behandlung sieht vor, dass ältere Menschen ab dem Eintritt ins Spital gemeinsam betreut werden, unabhängig davon, auf welcher Abteilung sie liegen. Nach einem Beratungsgespräch wird der Senior zur weiteren Behandlung auf die Akutgeriatrie verlegt. Hier absolviert er ein zweiwöchiges Rehabilitationsprogramm, das auf ihn zugeschnitten ist. Diese spezielle Form der Behandlung im Akutspital nennt sich geriatrische Akutrehabilitation. Sie vereint die Akutbehandlung mit rehabilitativen Massnahmen. Regelmässig kommen die Unfallchirurgen vorbei und prüfen die Wundheilung. Mit zunehmender Freude stärkt Herr W. unter Anleitung einer Physiotherapeutin seine Mobilität und steigert seine Selbständigkeit. Schon bald kann er sich wieder selbst anziehen und pflegen. Nach zwei Wochen kehrt er nach Hause zurück.

Pflegebedürftigkeit möglichst lange verhindern

Dank medizinischer Fortschritte werden wir immer älter. Doch mit zunehmendem Alter hat der menschliche Organismus weniger Reserven und wird verletzlicher. Zudem leiden betagte Menschen häufig an mehreren Erkrankungen wie beispielsweise Herzschwäche oder Demenz. Eine akute Erkrankung oder eine Verletzung kann das bin anhin gerade noch ausbalancierte Organsystem des alten Menschen zum Kippen bringen. Dr. med. Dimitrios Iliakis, Leiter der Klinik für Akutgeriatrie, erklärt: «Manchmal braucht es nur einen Auslöser, wie bei Herrn W. einen Sturz, und das Organsystem fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Betroffene sind dann gefährdet, dauerhaft pflegebedürftig zu werden. Im akuten Krankheitsfall brauchen betagte Menschen im Spital eine auf sie spezialisierte Betreuung, wenn sie ihre Selbständigkeit nicht dauerhaft verlieren wollen.» Die Geschichte von Herrn W. unterstreicht die Wichtigkeit zeitgemässer altersmedizinischer Angebote.

«Wir können uns die erforderliche Zeit nehmen, um unseren betagten Patientinnen und Patienten eine ganzheitliche Betreuung anzubieten.» Dr. med. Dimitrios Iliaki

Der ältere Mensch im Zentrum

Die Klinik für Akutgeriatrie am KSW ist darauf spezialisiert, Erkrankungen und Verletzungen bei älteren Menschen abzuklären und zu behandeln. Die Zuweisung erfolgt von der Notfallstation, von Hausarztpraxen oder aus Alters- und Pflegeheimen der Umgebung. Die Abteilung bietet 28 Betten für Patientinnen und Patienten an, die bedarfsabhängig von einem 7- oder einem 14-tägigen stationären Programm profitieren können – im Laufe des aktuellen Jahres werden 12 weitere Betten dazukommen. Dr. Iliakis ist glücklich über die Ausweitung des Angebots: «Wir setzen alles daran, die Phase der Abhängigkeit von Pflege und Therapie so kurz wie möglich zu halten. Je früher wir rehabilitative Massnahmen einleiten, desto grösser sind die Chancen, Mobilität und Selbständigkeit der Betroffenen zu erhalten.»

Zeit für die Patientinnen und Patienten

Ältere Patientinnen und Patienten brauchen mehr Zeit, um sich zu erholen. Die geriatrische Akutrehabilitation erfolgt nach einem definierten Prozess, der betagten Menschen innerhalb des Spitalsystems mehr Zeit und spezifische Therapien zur Verfügung stellt. «Wir können uns die erforderliche Zeit nehmen, um unseren betagten Patientinnen und Patienten eine ganzheitliche Betreuung anzubieten», bestätigt Dr. Iliakis.

Zu Hause bleiben oder ins Pflegeheim?

Manchmal gefährdet kein akuter Anlass, sondern eine fortschreitende Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands die Alltagskompetenz von älteren Menschen. Für sie und ihre Angehörigen ist es dann schwierig, den richtigen Zeitpunkt für einen Eintritt ins Pflegeheim zu finden. Auch für solche Abklärungen eignet sich das Angebot der Akutgeriatrie am KSW, wie das Beispiel von Frau B. zeigt.

Fall von Frau B., 85 Jahre alt

Frau B., 85, lebt allein zu Hause, und das soll ihrem Wunsch nach auch so bleiben. Doch ihre Angehörigen machen sich zunehmend Sorgen. Die erwachsenen Kinder sind beruflich stark eingespannt und leben in einem anderen Kanton. Deshalb können sie die betagte Mutter nicht regelmässig besuchen. Der Hausarzt von Frau B. rät zu einer akutgeriatrischen Abklärung am KSW, um die Situation richtig einschätzen und danach gemeinsam entscheiden zu können.

Während des siebentägigen stationären Aufenthalts verschafft sich das interprofessionelle Fachteam der Akutgeriatrie durch Beobachtungen und Untersuchungen eine Faktengrundlage zum Gesundheitszustand sowie zu den Fähigkeiten von Frau B. Auf dieser Basis geben die Spezialistinnen und Spezialisten nach eingehender Beratung eine Empfehlung ab. Bei Frau B. kommt das Team zum Schluss, dass die geistig fitte Frau mit spezifischer Unterstützung durchaus noch in ihrer vertrauten Umgebung leben kann. Die Physiotherapeutin hilft ihr, ihre Mobilität zu verbessern und dadurch ihre Lebensqualität zu steigern. Die Angehörigen sind beruhigt und Frau B. ist glücklich.

«Je früher wir rehabilitative Massnahmen einleiten, desto grösser sind die Chancen, Mobilität und Selbständigkeit der Betroffenen zu erhalten.» Dr. med. Dimitrios Iliakis


Länger im angestammten Umfeld bleiben

Interview mit Dr. med. Dimitrios Iliakis, Leiter der Klinik für Akutgeriatrie

Herr Dr. Iliakis, weshalb haben Sie sich auf Altersmedizin spezialisiert?

Die Altersmedizin ist ein sehr spannendes Gebiet. Wir Geriater befassen uns mit der ganzen Palette von allgemeinmedizinischen Erkrankungen. Dabei fasziniert mich vor allem der rehabilitative Gedanke. Bei uns stehen von Anfang an Themen wie Mobilität, Funktionalität, Selbsthilfe, Lebensqualität und Autonomie im Fokus. Es ist schön, zu sehen, wie die betagten Menschen Fortschritte machen und sich anstrengen, die gemeinsam definierten Ziele zu erreichen. Aus persönlicher Sicht schätze ich den täglichen Kontakt mit betagten Menschen sehr. Sie bringen etliche Jahrzehnte an Lebenserfahrung mit, viele haben unvorstellbare Dinge erlebt wie den Zweiten Weltkrieg und schwierige Situationen gemeistert. Mich beeindruckt immer wieder, wie tapfer und stoisch sie Schicksalsschläge hinnehmen. Ich kann viel von unseren Patientinnen und Patienten lernen.

Wie helfen Sie den betagten Patientinnen und Patienten wieder auf die Beine?

Neben der Akutbehandlung steht bei uns ab dem ersten Tag auch die Akutrehabilitation im Fokus. Die Rehabilitation beginnt mit einem geriatrischen Assessment. Das heisst, wir verschaffen uns durch etablierte einfache Tests einen Überblick über den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten. Dabei tragen wir verschiedene Werte zusammen zur Kognition (geistige Aktivität), zu Mobilität, Muskelkraft, Funktionalität, Selbsthilfe, psychischer Verfassung, sozialer Situation und zum Ernährungszustand. In diese Untersuchungen sind verschiedene Spezialistinnen und Spezialisten involviert: Ärztinnen und Ärzte sowie Fachleute aus Pflege, Ergo- und Physiotherapie, Ernährungstherapie, dem Sozialdienst, der Logopädie und andere. Nachdem wir uns einen Überblick verschafft haben, erstellen wir gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten und oft auch mit den Angehörigen einen individuellen Behandlungsplan.

Wie setzen Sie und Ihr Team den Behandlungsplan um?

In den patientenbezogenen Behandlungsplan beziehen wir nebst den medizinisch angezeigten Therapien auch die Ziele und Wünsche der Betroffenen mit ein. Dabei geht es in erster Linie darum, die Lebensqualität zu verbessern und die grösstmögliche Autonomie wiederzuerlangen. Generell geht es in der Altersmedizin nicht primär um die Verlängerung der Lebenserwartung, sondern um die Verlängerung der gesunden Lebensspanne. Mit viel Einfühlungsvermögen und Fachkompetenz motivieren wir die Patientinnen und Patienten zum Mitmachen. Auch Humor ist auf unserer Abteilung wichtig. So schaffen wir eine positive und lebensbejahende Atmosphäre und vermitteln Zuversicht. Die involvierten Fachleute treffen sich wöchentlich, um die Fortschritte zu beurteilen und allenfalls die Behandlung anzupassen. Das Programm endet mit dem Austrittsgespräch. Es ist für uns jedes Mal eine grosse Freude, wenn die älteren Menschen dank der geriatrischen Akutrehabilitation wieder selbständiger werden, an Lebensqualität gewinnen und länger in ihrem angestammten Umfeld bleiben können.

Portrait von Dr. med. Dimitrios Iliakis

Dr. med. Dimitrios Iliakis

Chefarzt Geriatrie
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In der Altersmedizin widmet sich ein Team aus Spezialistinnen und Spezialisten der Abklärung, Behandlung und Begleitung älterer Menschen.
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