Am KSW steht MS auch für «Mut schenken»
Der Tag neigt sich dem Ende zu, in Winterthur wird es dunkel. Das Büro von Dr. med. Biljana Rodic ist noch hell erleuchtet. Die Leitende Ärztin der Klinik für Neurologie hat einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich – und er ist noch nicht zu Ende. Visiten auf der Station, Sprechstunden mit Patientinnen und Patienten, Teilnahme an einem MS-Board und eben ein zweistündiges Fachgespräch mit einem Arztkollegen, um sich über die optimale Therapie für einen von MS betroffenen Patienten abzustimmen. Trotzdem nimmt sie sich gern Zeit, die MS-Sprechstunde am KSW vorzustellen. Kein neues Angebot, aber ein Service, der dank eines interdisziplinären Teams engagierter Fachleute unter ihrer Leitung zu einer wichtigen Stütze für Menschen mit MS geworden ist – oft ein Leben lang.
Mit Fachwissen und Herz involviert
Während des rund einstündigen Interviews klingelt das Telefon drei Mal. Mit ruhiger Stimme und einem charmanten Lächeln verspricht Dr. Rodic zurückzurufen. Die passionierte Neurologin hat wenig Zeit, aber sie nimmt sie sich für das, was ihr wichtig ist. Zum Beispiel für das Gespräch mit dem jungen MS-Betroffenen am Vormittag, der sich ihr wegen seiner Harnblasen- und Sexualfunktionsstörungen anvertraut hat – eine häufige Begleiterscheinung bei Multipler Sklerose, über die Betroffene nicht gern sprechen.
«In der MS-Sprechstunde am KSW erhalten Patient:innen fachkundige und einfühlsame Antworten.»
Das Vertrauen des jungen Patienten hat Dr. Rodic gefreut: «Bei neurologischen Erkrankungen wie MS erfolgt die Behandlung ganzheitlich und über Jahrzehnte hinweg. Ein Vertrauensverhältnis ist wichtig, um die individuell beste Therapie festzulegen. Als Ärztin bin ich nicht nur mit meinem Fachwissen involviert, sondern auch mit meinem Herzen.» Dr. Rodic hat ihren Patienten über die Ursachen und die Möglichkeiten zur Behandlung der Blasenprobleme aufgeklärt und ihn an den Neurologen am KSW vermittelt – ein Angebot, das der junge Mann dankend annahm.
Was ist MS?
Bei mit MS diagnostizierten Menschen setzt sich unweigerlich ein Gedankenkarussell in Gang. Die Autoimmunerkrankung ist schwer fassbar und löst Ängste aus. Der Grund dafür: Sie verläuft bei allen Betroffenen anders und zeigt sich in einer Vielzahl von Symptomen. Deshalb bezeichnet man sie auch als die «Krankheit der tausend Gesichter». Was ist überhaupt MS? MS steht für Multiple Sklerose, was so viel heisst wie «vielfache Verhärtungen». Dabei handelt es sich um eine nicht erbliche, chronisch-entzündliche und nicht heilbare Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS).
Ein kurzer Ausflug in die Biologie veranschaulicht die faszinierenden Abläufe in unserem Körper: Nervenzellen des Gehirns senden und empfangen Signale. Damit werden alle Körperfunktionen gesteuert – von der Atmung über die Bewegung bis hin zur Verdauung. Diese Signale wandern entlang der sensiblen Nervenfasern, die durch eine Myelinschicht isoliert sind. Man kann sich diese Nervenfasern wie den Draht in einem Stromkabel vorstellen und die Myelinschicht wie die Isolation des Kabels. Die Immunzellen hätten eigentlich die Aufgabe, das zentrale Nervensystem zu schützen. Bei der MS greifen jedoch stattdessen vereinzelte autoaggressive Zellen aus noch nicht bekannten Gründen das ZNS an. So kommt es zu Entzündungsherden in Gehirn und Rückenmark. Diese Entzündungen zerstören Nervenfasern. Dabei entstehen Narben in der Myelinschicht. Wenn es viele (multiple) Narben (Sklerose) sind, können nicht mehr alle Signale vom Gehirn an die richtigen Stellen gesendet werden. Je nachdem, wo sich die Vernarbungen befinden, schränken sie andere Körperfunktionen ein – so lassen sich die unterschiedlichen Symptome bei MS erklären.
Jeder MS-Verlauf ist anders
MS tritt in 70 Prozent der Fälle im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Einen typischen Verlauf einer MS-Erkrankung gibt es nicht. Das Gute vorweg: Nicht jede MS verläuft so schwerwiegend, dass sie zu vollständiger Bewegungsunfähigkeit führt. Dr. Rodic macht Mut: «In den letzten Jahren wurden in Bezug auf Diagnostik und Therapie revolutionäre Fortschritte erzielt. Dank neuen Erkenntnissen der Forschung kommen jedes Jahr einige Medikamente auf den Markt, die eine deutlich bessere Wirkung zeigen als die bisherigen. Dadurch und durch das bessere Verständnis der Verläufe können wir eine personalisierte Therapie anbieten.» Gerade weil sich der MS-Verlauf nicht in eine Schablone pressen lässt, kommt der medizinisch-therapeutischen Begleitung eine zentrale Rolle zu. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen wird der fachliche und menschliche Beistand von Spezialistinnen und Spezialisten zu einer wichtigen Stütze in ihrem Leben.
MS-Sprechstunde am KSW
Am KSW hat sich das Team um Dr. med. Biljana Rodic genau dieser Aufgabe verschrieben. Der Leitenden Ärztin der Klinik für Neurologie liegt es sehr am Herzen, für die betroffenen Menschen die individuell beste Therapie zu finden und sie darin zu bestärken, den Fokus auf das Positive zu legen. Dazu Dr. Rodic: «Die MS-Sprechstunde ist ein patientenorientierter Service. Wir legen Wert darauf, die Betroffenen umfassend über die Therapiemöglichkeiten zu informieren, ihnen unsere Empfehlungen zu begründen und sie in die Entscheidung einzubeziehen. Es ist uns wichtig, im vertraulichen Gespräch die Bedürfnisse, Sorgen und Ängste der Patientinnen und Patienten zu erfahren. MS ist nicht nur eine gravierende körperliche Erkrankung, sondern ihre Auswirkungen betreffen alle Lebensbereiche. Stimmungsschwankungen, Beziehungsprobleme oder Zukunftssorgen sind Themen, die viele Betroffene intensiv beschäftigen. Unser interdisziplinäres Team setzt alles daran, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu erhöhen.»
Wie gut Dr. Rodic und dem Team der Neurologie das gelingt, zeigen die vielen beachtlichen Therapieerfolge und die positiven Rückmeldungen von Betroffenen. Es ist schon spät, als Dr. Rodic an diesem Tag die Tür hinter sich zuzieht. Sie wird den Abend ruhig ausklingen lassen und sich am nächsten Tag zusammen mit ihrem Team wieder mit Fachwissen und Herz ihrer Aufgabe zuwenden – für die Neurologin ist ihr Beruf tatsächlich eine Berufung.