Bis ans Lebensende
Wer an einer unheilbaren Krankheit leidet, ist mit dem Tod konfrontiert. Neue Fragen rücken in den Vordergrund: Wie wird das Sterben sein, und wer kümmert sich um die Hinterbliebenen? Doch nicht nur die Situation nach dem Tod, sondern auch der Weg bis dahin ist oft ungewiss – die Angst vor Schmerzen ist häufig grösser als die vor dem Tod. Dank guter Behandlungsmöglichkeiten gelingt es heute oft, trotz schwerer Krankheit eine befriedigende Lebensqualität zu ermöglichen. Viele Patienten finden dank der Unterstützung durch Palliative Care zu einer neuen Normalität, können ihre Angelegenheiten regeln und verstehen besser, womit sie konfrontiert sind. Wenn belastende Symptome wie Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit auftreten, versucht das Team, die Ursachen der Symptome zu verstehen und ein wirksames Behandlungskonzept zu erstellen, dies im Austausch mit zahlreichen Fachspezialisten. Es gilt, hinzuhören und zu verstehen, wie Betroffene ihr Leiden erleben. Mit Unterstützung durch Fachpersonen der Psychoonkologie, der Seelsorge oder der Kunsttherapie kann vertieft auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen werden.
Mehr als nur Sterbebegleitung
Palliative Care sei viel mehr als Sterbebegleitung, sagt Franziska Trüb, Abteilungsleiterin Pflege des Zentrums für Palliative Care. Ungefähr die Hälfte der Patienten verlasse das Spital in stabilem Zustand – nach Hause oder in eine Institution. Neben der Symptombehandlung ist die zwischenmenschliche Unterstützung der Patienten besonders wichtig. Eine fortschreitende, unheilbare Krankheit erfordert eine stetige Neuausrichtung und Anpassung, Betroffene und Angehörige müssen sich schrittweise von Fähigkeiten und Gewohnheiten verabschieden. Umso wichtiger ist es, die verbleibende Energie für das einzusetzen, was den Betroffenen besonders am Herzen liegt. Die Wünsche ausserhalb der medizinischen Behandlung und ihre Integration in die Behandlung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die Situation wird ganzheitlich betrachtet – massgebend sind die persönlichen Prioritäten der Betroffenen.
SENS oder Vorausplanung und Netzwerk
Weitere Aufgaben der Palliative Care sind die Entscheidungsfindung und die Vorausplanung. Es gilt, Perspektiven aufzuzeigen – auch für die Zeit, da krankheitsspezifische Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Das Krankheitsverständnis von Patienten und Angehörigen werde vertieft, wodurch Patienten schrittweise Sicherheit und ein Gefühl von Kontrolle gewinnen, beides wichtige Aspekte der Lebensqualität, sagt Christa Hauswirth, Leitende Ärztin. Im Spital fühlen sich Betroffene und Angehörige sicher. Ist der Wunsch da, nach Hause zu gehen, wirkt das Zentrum für Palliative Care unterstützend bei der Organisation eines tragfähigen Netzwerks. Dank der engen Zusammenarbeit mit spezialisierten Spitex-Teams, die in der Lage sind, die Patienten auch in komplexen Situationen zu Hause weiter zu betreuen, können Betroffene die verbleibende Zeit in der gewohnten Umgebung verbringen. Diese Teams übernehmen die Behandlung und die Pflege des Patienten und begleiten auch die Angehörigen. Von einer unheilbaren Krankheit ist das ganze Familiensystem betroffen, und Angehörige von Patienten sind meist die wichtigste Ressource, die es zu stützen gilt.
Jeden Tag aufs Neue
Es ist keine leichte Aufgabe, tagtäglich Menschen mit einer unheilbaren Krankheit zu begleiten. Die Geschichten gehen einem nah, die Arbeit sei auch oft belastend, sagen Christa Hauswirth und Franziska Trüb unisono. Eine gesunde professionelle Distanz sei wichtig, auch wenn sie nicht immer gelinge. Gegenseitiges Vertrauen innerhalb des Teams sei Voraussetzung, sich auf den Patienten und die Angehörigen zu konzentrieren. Das Behandlungsteam ist zwar öfter als auf anderen Spezialabteilungen mit dem Sterben konfrontiert, inhaltlich geht es aber wesentlich mehr darum, mit den Patienten über das Leben zu sprechen. Es sind Gespräche über die Lebenszeit, die noch bleibt, und darüber, wie sie möglichst gut und nach den Vorstellungen des Patienten gestaltet werden kann. Der Arbeitsalltag bietet neben Leid und Trauer auch viel Freude und Befriedigung. Es werde viel gelacht, auch mit den Patienten. Gemeinsam könne man sich freuen, wenn eine Besserung gelingt. Oft müssten schwierige Entscheidungen getroffen werden, der Alltag sei spannend und herausfordernd – und vor allem immer individuell. Je komplexer und instabiler der Zustand des Patienten ist, desto grösser die Herausforderung, dem Patienten gerecht zu werden. Diese Aufgabe nehmen die Mitarbeitenden der Palliative Care jeden Tag aufs Neue an.
Zehn Jahre Zentrum für Palliative Care
Vor zehn Jahren wurde das Zentrum für Palliative Care am Kantonsspital Winterthur eröffnet. Seither habe sich vieles verändert, das Verständnis für die Notwendigkeit des Zentrums sei gewachsen, die Zusammenarbeit mit den anderen Stationen funktioniere immer besser. Seit 2014 trägt das Zentrum das Qualitätslabel «qualitépalliative». Anlässlich der Rezertifizierung im Jahr 2018 wurde auch der Konsiliardienst erstzertifiziert. Seit 2017 gibt es eine ambulante Sprechstunde.
Für die Zukunft wünsche man sich eine frühere Einbindung der Palliative Care, vor allem, wenn komplizierte und schwierige Krankheitsverläufe zu erwarten sind. Eine frühere Integration begleitender, symptomlindernder Palliative Care steht keineswegs im Widerspruch zur krankheitsspezifischen Behandlung. Schliesslich arbeiten im Spital alle zusammen, um die Patienten bestmöglich zu behandeln und zu begleiten – manchmal bis an ihr Lebensende.
S Symptommanagement
bestmögliche Symptomlinderung
E Entscheidungsfindung
Entscheidungsfindung, Vorausplanung gemäss Prioritäten des Patienten
N Netzwerk
Aufbau eines unterstützenden Netzwerks für zu Hause
S Support
Support von Angehörigen als wichtigste Ressource