Gute Keime, schlechte Keime
Welches sind die grössten Infektionsrisiken?
Entscheidend ist, ob wir vom Spital oder von anderen Lebensbereichen sprechen. Im Rahmen einer invasiven Spitalbehandlung wird die Haut als wirksame Barriere gegen das Eindringen von Mikroorganismen in den Körper verletzt, zudem hält sich hier eine grosse Zahl von kranken Menschen auf begrenztem Raum auf. Beides erhöht das Infektionsrisiko massgeblich, deshalb sind hier besonders strenge Schutzmassnahmen (insbesondere eine konsequente Händehygiene) nötig.
Lassen wir für einmal die Spitalhygiene beiseite und betrachten unseren privaten Alltag. Wie werden hier die meisten Infektionen übertragen?
Das ist je nach Erreger sehr unterschiedlich, es kann im direkten Kontakt, durch Tröpfcheninfektion, durch aeorogene Übertragung (durch die Luft) oder via Körperflüssigkeiten erfolgen.
Was soll ich dagegen tun – fleissig die Hände waschen?
Im «normalen» Leben schützt Händewaschen je nach Art der möglichen Übertragung mehr oder weniger gut – angezeigt ist es nach der Toilette, vor dem Kochen, vor dem Essen und nach dem Kontakt mit sichtbarem Schmutz. Aber nochmals: Im Spital ist das Risiko ungleich höher, daher gelten hier zum Schutz der Patienten und der eigenen Person weitaus strengere Vorgaben für Händewaschen und Händedesinfektion.
Desinfektionsmittel werden auch für den Haushalt angeboten. Ist das sinnvoll?
Grundsätzlich sind Desinfektionsmittel im Haushalt nicht nötig. Sauberkeit an den Händen und im Haus reicht, übertriebene Hygiene schwächt die natürlichen Schutzmechanismen. Bakterien kommen überall vor, und auf die richtigen unter ihnen sind wir auch angewiesen. Im Kindesalter fördert eine gewisse Exposition das Immunsystem und reduziert die Häufigkeit von Allergien.
Nicht alle öffentlichen Orte und Örtchen sind einladend. Kann man auf öffentlichen Toiletten Erreger auflesen?
Theoretisch ja, aber im Normalfall ist das Risiko andernorts grösser. So besiedeln zum Beispiel rund 18-mal mehr Erreger das Smartphone als die WC-Brille einer öffentlichen Toilette.
Auf welche Art werden die meisten «Ferieninfektionen» erworben?
Über Wasser und über nicht (oder nur ungenügend) gekochte Lebensmittel (Hepatitis A, coli u.a.), über Sexualkontakte (HIV, Hepatitis B u.a.), Mückestiche (Malaria u.a.) oder Tierbisse (Tollwut). Vor einer Reise lohnt sich auf jeden Fall eine reisemedizinische Beratung, um den Impfstatus zu kontrollieren und allenfalls zu aktualisieren und sich über spezifische Gefahren am Reiseziel zu informieren.
In welchen Weltgegenden gibt es am meisten unerwünschte Keime?
Verbreitet sind sie überall, und die Häufigkeit – gerade der multiresistenten gram negativen Keime – nimmt stetig zu. Multiresistente gram negative Keime finden sich vor allem in Südosteuropa und Südostasien. MRSA (Methicillin resistente Staphylokokken) und VRE (Vancomycin resistente Enterokokken) hingegen finden sich häufig im Vereinigten Königreich, in Irland und in Nordamerika. Aber auch in der Schweiz kann man resistente Keime auflesen – so zum Beispiel ESBL E. coli über Pouletfleisch, insbesondere bei mangelnder Küchenhygiene.
Grundsätzlich kann man sagen, dass das vermehrte Auftreten resistenter Keime – aufgrund der Selektion durch den zu häufigen und unkritischen Einsatz von Antibiotika – die Medizin vor immer grössere Probleme stellt. So spricht man schon von einem Beginn eines post-antibiotischen Zeitalters – das heisst eines Zeitalters, in dem Menschen an einfachen bakteriellen Infektionen sterben, da die verfügbaren Antibiotika nicht mehr wirken.
Um diese dramatische Entwicklung abzuwenden, ist es zentral, Antibiotika nur wenn wirklich nötig und gezielt einzusetzen. Gleichzeitig sollte die Übertragung von kritischen Keimen im Spital verhindert werden. Hierzu ist die Einhaltung der Hygienestandards und Schutzmassnahmen erforderlich.
Wo sehen Sie als Fachleute grundsätzlich Gefahren, die oft unterschätzt werden oder kaum bekannt sind?
Da denken wir zunächst an Krankheiten, die dank Impfungen nur noch selten auftreten. In der Folge kennen weite Teile der Bevölkerung die möglichen Folgen gewisser Krankheiten immer weniger und unterschätzen in der Folge die Bedeutung von Impfungen. Das gilt namentlich für klassische «Kinderkrankheiten » wie Masern und Röteln.
Andererseits wird die Influenza, welche jedes Jahr sehr viele Menschen betrifft, häufig unterschätzt und bagatellisiert. Insbesondere im Falle persönlicher Risikofaktoren und/oder von Kontakten mit vulnerablen Personen – das heisst mit Schwangeren, Kleinkindern, Immunsupprimierten oder chronisch Kranken – ist die Impfung gegen Influenza unbedingt zu empfehlen.
Eine Infektion mit Influenza kann nicht selten über Leben und Tod eines Patienten entscheiden. Durch eine Impfung könnte man sich sowie sein Umfeld einfach und effektiv vor einer Infektion schützen. Leider kommt es noch viel zu häufig zu Influenza-Übertragungen in Spitälern und in diesem Zusammenhang auch zu Todesfällen.
Wo lauern die grössten Infektionsgefahren?
Im Spital. Invasive Tätigkeiten und anderes erhöhen das Infektionsrisiko massiv. Im Spital spielt deshalb eine konsequente Hygiene sowie wenn möglich der Schutz mittels Impfungen eine zentrale Rolle.