Im Herzen der Intensivstation – Einblick in den Alltag
Das gedämpfte Summen der Beatmungsgeräte und das leise Piepen des Überwachungsmonitors bilden die konstante Melodie der Intensivstation, durchbrochen nur von den leisen, aber klaren Stimmen des medizinischen Fachpersonals. Alle arbeiten mit hoher Konzentration im eingespielten Team, immer mit dem gleichen Ziel vor Augen: mit ihren hochspezialisierten Fähigkeiten, der modernsten Technik und vor allem einer enormen Menge an Empathie die Patientinnen oder Patienten nach der Genesung in ihre gewohnte Welt entlassen zu können. Aktuell sind alle zwölf Intensivbetten und die sechs Überwachungsbetten belegt. Hier liegen Menschen, die wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung, einer kürzlich erfolgten komplexen Operation oder einer schweren Verletzung intensivmedizinische Unterstützung und intensive Behandlung benötigen.
Individuelle Schicksale
Zum Beispiel die junge Mutter, die mit einer schweren Lungenentzündung ins KSW eingeliefert wurde, der Motorradfahrer, der schwer gestürzt ist, der Landwirt, der mit dem Traktor am Hang kippte, oder der Patient, dem die Speiseröhre und der Magen entfernt werden mussten, weil dort Speiseröhrenkrebs entstanden war. Ein knapp 70-jähriger Mann ist seit fast 70 Tagen auf der Intensivstation. Sein Aufenthalt verlängerte sich durch einen Herzinfarkt und anschliessend auftretende Komplikationen. Seine Situation verdeutlicht das Spektrum der Intensivmedizin: Während die meisten Patienten nach rund vier Tagen auf der normalen Bettenabteilung weiterbetreut werden können, kann der Weg zur Genesung für einige deutlich länger sein und eine intensivere medizinische und pflegerische Betreuung erfordern.
«Die Mitarbeitenden geben jeden Tag ihr Bestes, um die Patientinnen und Patienten bei der Rehabilitation zu unterstützen und die Angehörigen miteinzubeziehen.»
Am seidenen Faden …
Das Team der Intensivstation versucht tagtäglich Menschen zu retten, deren Leben am seidenen Faden hängt. Einige Patientinnen und Patienten versterben auch auf der Intensivstation. Der Alltag hier stellt das Team täglich vor neue Herausforderungen. Es begleitet alle Patientinnen und Patienten individuell auf ihrem Genesungsweg und schaut, dass sie sich wohl und geborgen fühlen – ob für eine kurze oder eine längere Zeit. Sobald sich der Zustand der betreuten Menschen stabilisiert hat, erfolgt der nächste Schritt auf ihrem Genesungsweg, ob auf einer allgemeinen normalen Bettenabteilung, in einer Rehabilitationsklinik oder zurück in der häuslichen Umgebung.
Drei Fachpersonen geben Einblick
In einem der acht Einzelzimmer liegt der verletzte Motorradfahrer. Bewusstlos, beatmet und unter ständiger Beobachtung. Eine Pflegefachfrau putzt ihm behutsam die Zähne. Sie spricht dabei leise zu ihm und erklärt ihm jeden Schritt und jede Handlung, die sie vornimmt.
Dirk Wiechmann, Leiter Pflege Intensivstation
«Wir wissen nicht genau, was die Patientinnen und Patienten in ihrem Zustand wahrnehmen können. Deshalb ist es uns wichtig, in jeder Situation mit ihnen zu sprechen und ihnen zu erklären, was wir tun. Die Körperpflege spielt eine entscheidende Rolle in der Versorgung der Intensivpatienten. Sie beinhaltet das Putzen der Zähne, das Waschen, das Wechseln der Bettwäsche und das Unterstützen bei der Toilette. Wir wechseln in regelmässigen Abständen die Position der Patientinnen und Patienten und überprüfen ihre Haut immer wieder auf Druckgeschwüre. Solche Wunden können sich bilden, wenn Patienten für längere Zeit in einer Position verbleiben.»
PD Dr. med. Philipp Bühler, Chefarzt und Leiter Zentrum für Intensivmedizin
«Am pflegerischen und am ärztlichen Morgenrapport übernehmen wir die Patientinnen und Patienten vom Team der Nachtschicht und besprechen die nächtlichen Vorkommnisse. Wir sind immer bereit, Notfälle aufzunehmen. Auf unserer interdisziplinären Intensivstation behandeln wir alle Patientinnen und Patienten aus dem KSW oder aus dem Umland, die eine spezifische Intensivmedizin und -pflege benötigen. Zudem sind wir im Rahmen der hochspezialisierten Medizin auch für Patientinnen und Patienten aus angrenzenden Kantonen da. Am KSW legen wir grossen Wert auf die fächerübergreifende Zusammenarbeit. Rund um die Uhr sind an der Behandlung neben den Spezialistinnen und Spezialisten für Intensivmedizin auch andere Disziplinen beteiligt. Dies erfordert in den meisten Fällen die Koordination von fünf bis zehn Disziplinen. In den täglichen Rapporten tauschen wir Informationen aus und legen gemeinsam den weiteren Behandlungsplan fest.»
Nach dem Morgenrapport beginnt das ärztliche und das pflegerische Personal mit der Visite. Diese beinhaltet eine detaillierte Untersuchung aller Patientinnen und Patienten, einschliesslich der Überprüfung der Vitalzeichen, der Laborergebnisse oder der Bilder, die beim Röntgen oder bei anderen bildgebenden Untersuchungen entstanden sind. Auf dieser Basis diskutiert das Team gemeinsam den Behandlungsplan und legt die nächsten Schritte fest. Nach der Visite werden die erforderlichen Spezialuntersuchungen wie eine MRT (Magnetresonanztomographie) oder eine Hirnstrommessung durchgeführt. Alle Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation werden rund um die Uhr von spezialisierten Ärztinnen und Ärzten sowie von Intensivpflegefachkräften betreut.
Merel van de Westelaken, Stellvertretende Leiterin Pflege
«Die Mitarbeitenden der Pflege arbeiten täglich direkt am Bett und geben in drei Schichten während 24 Stunden pro Tag ihr Bestes, um die Patientinnen und Patienten bei der Rehabilitation zu unterstützen und die Angehörigen einzubeziehen. Die Angehörigen durchleben starke emotionale Schwankungen. Ihre Gefühle gehen von Sorgen und Trauer bis hin zu Hoffnung oder Ärger. Ihre Reaktionen variieren je nach Bewältigungsstrategie. Die Betreuung der Angehörigen ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Hierfür sind ein enger Kontakt und ein kontinuierlicher Austausch sehr wichtig. Wir bieten den Angehörigen an, dass wir sie täglich am Morgen telefonisch über den Gesundheitszustand ihrer Lieben informieren. Um die Zeit auf der Intensivstation besser verarbeiten zu können – häufig erinnern sich die Patientinnen und Patienten nicht an den Aufenthalt –, schreibt das betreuende Team mit den Angehörigen ein Tagebuch. Darin berichten sie vom Ablauf und vom auf der Intensivstation Erlebten.»
Angehörige brauchen Beistand
Bei Besuchen werden die Angehörigen von der Fachpflege und dem ärztlichen Dienst ausführlich über den aktuellen Gesundheitszustand informiert. Unterstützt werden sie hier auch von der Seelsorge, dem Sozialdienst und vom psychiatrischen Dienst. Den diplomierten Expertinnen und Experten Intensivpflege ist es wichtig, sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Angehörigen da zu sein. Das Team strebt hier ständig Verbesserungen an. Aus diesem Grund nimmt das Zentrum für Intensivmedizin aktuell an einer nationalen Studie zur Optimierung der Angehörigenbetreuung (FICUS-Studie) teil.
Freud und Leid liegen nah beieinander
So herausfordernd der Alltag auf der Intensivstation auch ist, so gibt es doch immer wieder schöne Momente. Zum Beispiel geht es der jungen Mutter mit der Lungenentzündung schon viel besser, die Beatmungsmaschine konnte vor ein paar Tagen gestoppt werden. Nun atmet sie wieder ganz von allein. Heute kommen ihre drei kleinen Kinder zu Besuch. Die Kleinen freuen sich, dass es ihrem Mami wieder besser geht, und zaubern ihm ein Lächeln aufs Gesicht. Solche Momente sind für das gesamte Personal der Intensivstation sehr wertvoll. Sie schenken Kraft und motivieren.
Zentrum für Intensivmedizin – rund um die Uhr in Betrieb
Mit 3800 Mitarbeitenden und 500 Betten stellt das KSW in der Region Winterthur die medizinische Grundversorgung sicher und erbringt zusätzlich Leistungen der spezialisierten Versorgung für die umliegenden Spitäler.
Als eines der beiden Traumazentren des Kantons Zürich gewährleistet das Zentrum für Intensivmedizin mit den aktuell 12 intensivmedizinischen Betten und 6 Überwachungsbetten die komplexe intensivmedizinische Versorgung. Aus den über 50 Kliniken, Instituten und Zentren des KSW werden alle Patientinnen und Patienten behandelt, die eine intensivmedizinische Therapie benötigen. Rund 120 Pflegekräfte und ein 25-köpfiges Ärzteteam bestehend aus Assistenzärztinnen/Assistenzärzten und Kaderärztinnen/Kaderärzten nehmen die 24-Stunden-Betreuung wahr. Pro Jahr können so fast 2500 Patienten und Patientinnen auf der Intensivstation und Überwachungsstation behandelt werden