Medizin aus einer Hand
Mit einer Kreuzfahrt im Mittelmeer erfüllte sich das Ehepaar Evelyn und Mario M. einen Traum. Nach der Rückkehr lebten sie sich zu Hause rasch wieder ein. Doch dann kam der Schock: Mario M. erlitt aus heiterem Himmel einen Schlaganfall. Er war mit seiner Frau mit dem Bus auf dem Weg in die Stadt, als er sich plötzlich unwohl fühlte und mit dem Sprechen Mühe bekundete.
Frau M. reagierte umgehend und richtig: Sie alarmierte über die Nummer 144 den Notarzt und rief die Ambulanz. Der Rettungsdienst traf wenige Minuten nach dem Anruf ein und brachte Herrn M. ins Kantonsspital Winterthur.
Stroke-Team mit spezialisierten Leitlinien
Im KSW erwarteten ihn bereits das interdisziplinäre Notfallteam sowie ein Spezialteam der Stroke Unit. Dr. med. Biljana Rodic, Leitende Ärztin Neurologie, untersuchte den Patienten und liess Bilder vom Kopf erstellen (Computertomographie, CT), welche die Diagnose Hirnschlag bestätigten. Eine Blutung als Ursache des Schlaganfalls konnte ausgeschlossen werden.
75 Minuten nach Einsetzen der Symptome wurde eine intravenöse Lysebehandlung gestartet. Diese Therapie hat zum Ziel, den Blutfluss im verschlossenen Gefäss wiederherzustellen und somit eine rasche Rückbildung der Symptome zu erreichen. Sie kann bis 4,5 Stunden nach dem Hirnschlag angewendet werden.
Nachdem Herr M. umgehend nach den speziellen Leitlinien am KSW behandelt worden war, wurde er auf die Stroke-Bettenstation verlegt. Dort wurden wichtige Funktionen wie Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzucker und Sauerstoffsättigung engmaschig kontrolliert und optimal eingestellt. Zusätzlich wurde mit der medikamentösen Prophylaxe weiterer Schlaganfälle begonnen, da dieses Risiko besonders in den ersten Tagen erhöht ist. Herr M. zeigte bereits am ersten Tag ein gutes Erholungspotenzial.
Für Patienten in der Akutphase eines Hirnschlags verfügt die Stroke Unit über eine eigene Bettenstation, auf der die Patienten nach spezifischen Richtlinien überwacht werden. Beim Auftreten von Komplikationen können die Fachleute umgehend reagieren.
«Das Wichtigste bei einem Schlaganfall ist, dass man rasch reagiert und die Nummer 144 alarmiert. Jede Sekunde zählt.»
Dr. med. Biljana Rodic leitet die Stroke Unit am KSW. In Vorträgen und Gesprächen wiederholt sie es immer wieder: «Das Wichtigste bei einem Schlaganfall ist, dass man rasch reagiert und die Nummer 144 alarmiert. Jede Sekunde zählt.» Nur so können wertvolle Areale des Gehirns gerettet werden, bevor der Sauerstoff- und Nährstoffmangel zum Absterben von Hirnzellen führt.
Zertifizierte Stroke Unit
Es ist wichtig, die Risikofaktoren und Ursachen des Schlaganfalls herauszufinden, um das Risiko eines erneuten Ereignisses ausschliessen zu können. So kann es nicht selten bei Patienten mit Vorhofflimmern, einer Herzrhythmusstörung, zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen kommen, die einen folgenschweren Schlaganfall auslösen können. Entsprechende Abklärungen finden in der Klinik für Innere Medizin statt, damit die richtige Therapie eingeleitet werden kann.
Doch zurück zu Mario M. Er wurde zur Diagnose der Ursachen verschiedenen Tests unterzogen. Es stellte sich heraus, dass der Schlaganfall zu einer halbseitigen Lähmung und einer Sprechstörung geführt hatte. Durch einen Hirnschlag kann es aber auch zu Schluckproblemen oder depressiven Verstimmungen kommen.
Am KSW steht den Patientinnen und Patienten ein interdisziplinäres Team aus Ergotherapeuten, Ernährungsberaterinnen, Physiotherapeuten, Logopädinnen, Psychologinnen und weiteren ärztlichen, pflegerischen und anderen Spezialisten zur Verfügung, die sie individuell abklären und mit ihnen Therapieprogramme entwickeln, auf deren Basis ihre Rehabilitation und die Rückkehr in den Alltag geplant und schrittweise in Angriff genommen werden.
Neurologische Rehabilitation planen
Nach fünf Tagen sprach eine Ärztin aus einer neurologischen Rehaklinik mit Herrn M. Im Rahmen einer solchen Neurorehabilitationsvisite wird der Patient direkt von Ärzten aus einer neurologischen Rehaklinik über die Bedeutung und den Ablauf einer Post-Stroke-Rehabilitation aufgeklärt.
Anschliessend stellen sie mit ihm einen Plan auf, um den Zeitpunkt des Übertritts in eine Rehabilitationseinrichtung oder des Einsetzens einer ambulanten Rehabilitation zu bestimmen. Der Sozialdienst am KSW legt mit den Angehörigen und dem Patienten die Details einer allfälligen Verlegung fest.
Umfassende Medizin aus einer Hand
Wichtig war für Frau M., dass sie und ihr Ehemann am KSW aus einer Hand informiert und eng begleitet wurden. Von Seiten der Pflege, der Ärzte und der Spezialisten standen ihnen immer die gleichen Fachleute gegenüber, mit denen sie alles besprechen konnten. Nachdem der Hausarzt von Herrn M. informiert worden war, wurde Mario M. schliesslich in die Reha entlassen.
Gemessen an der Bettenzahl ist der medizinische Bereich am KSW eine der grössten, wenn nicht die grösste zusammenhängende medizinische Abteilung in der Schweiz. Ein besonderer Vorteil für die Patientinnen und Patienten ist es, dass sich alle Fachbereiche der Medizin unter einem Dach befinden.
Dem KSW ist es ein zentrales Anliegen, dass die Behandlung der Patientin / des Patienten aus einer Hand erfolgt und die Angehörigen umfassend über den weiteren Verlauf der Behandlung und der Rehabilitation informiert werden. Am KSW behält der Arzt – oder die Ärztin – die ganze Patientin / den ganzen Patienten im Blick, als Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten (z. B. Situation zu Hause).
Die Rolle der Kommunikation
So können die Spezialisten ihr ganzes Know-how, ihr Spezialwissen und ihre gesamte Erfahrung voll ausspielen, während die Internisten in der Klinik mit den Patienten und ihren Angehörigen die richtigen Schritte für den Weg zurück in den Alltag besprechen und festlegen. Damit der Patient nach dem Spitalaufenthalt je nach seiner Lebenssituation und seiner persönlichen Verfassung wieder optimal ins Leben zurückfinden kann.
Eine grosse Freude für Dr. Rodic und das Team der Neurologie war es, dass Evelyn und Mario M. sie einige Monate nach dem Spitalaufenthalt im KSW besuchten und damit zum Ausdruck brachten, dass sie sich beim Stroke-Team gut aufgehoben gefühlt hatten.
Wie beim Boxenstopp in der Formel 1 – jeder Handgriff sitzt
Interview mit Dr. med. Biljana Rodic, Leitende Ärztin Neurologie
In der zertifizierten Stroke Unit am KSW werden Patienten nach einem Hirnschlag behandelt. Welchen Vorteil ziehen sie daraus?
Ein Schlaganfall kann das Leben eines Menschen buchstäblich schlagartig tiefgreifend verändern. Daher ist eine möglichst schnelle Alarmierung entscheidend.
Die Behandlung in einer zertifizierten Stroke Unit stellt sicher, dass ein interdisziplinäres und interprofessionelles Team von Spezialisten unter neurologischer Leitung umgehend die differenzierte Diagnostik und die Therapie nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gewährleistet.
Fachleute vergleichen es mit einem Boxenstopp in der Formel 1: Hier kennt jede und jeder die standardisierten Abläufe sehr genau, jeder Handgriff sitzt. Für die Patienten resultieren daraus weniger Todesfälle sowie eine geringere Rate an Invalidität und Pflegebedürftigkeit.
Welches sind die häufigsten Erkrankungen, die Sie am KSW in der Neurologie behandeln?
Neurologen versorgen etwa 3000 Patienten im Jahr. Sie diagnostizieren und behandeln alle Arten von Lähmungen und Gefühlsstörungen, aber auch Störungen des Gleichgewichts, des Gedächtnisses und anderer Funktionen des Gehirns (z.B. Sehverarbeitung, Sprache, Bewusstsein, Schlaf). Zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören Schlaganfall, Epilepsie, multiple Sklerose, Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung sowie Polyneuropathie, Kopfschmerz und Schwindel.
Im Spital bietet sich Neurologen die Möglichkeit, sich mit einer Reihe von akuten Erkrankungen auseinanderzusetzen, für die neue Therapien entstehen. Wir sind nicht auf ein «enges» Gebiet der Neurologie fokussiert (z.B. Epilepsie, Bewegungsstörungen), sondern können eine breite generalistische Perspektive einnehmen, während wir an der stationären Versorgung von Patienten über mehrere Subspezialitäten hinweg beteiligt sind.
In Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit den anderen Fachbereichen am KSW stellen wir die integrative Beurteilung und Betreuung der Patienten sicher und leisten einen wichtigen Beitrag zum Erkennen und Behandeln von neurologischen Problemen.
Was ist die besondere Stärke Ihres Teams am KSW?
«Wir legen Wert darauf, den Patienten als Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen wahrzunehmen und ihm entsprechend zu begegnen.»
An erster Stelle steht die Teamarbeit, in der wir als Neurologen offen und kommunikativ die Patienten ins Zentrum unserer Arbeit stellen. Wir legen Wert darauf, den Patienten als Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen wahrzunehmen und ihm entsprechend zu begegnen. Für uns steht die ganzheitliche Betreuung – «alles aus einer Hand» – im Mittelpunkt. Wir sind neugierig und daran interessiert, unser eigenes Wissen mit anderen zu teilen und am Wissen anderer teilzuhaben.
Der Patient wird von Beginn weg in den Pflegeprozess einbezogen
Interview mit Katrin Schmidt, Abteilungsleiterin Stroke Unit, Medizin 1A/B
Welches sind heute die wichtigsten Aufgaben der Pflege, bezogen auf die Klinik für Innere Medizin?
Die Pflege ist Bestandteil des interprofessionellen und interdisziplinären Behandlungsteams. Ausgehend von einem ganzheitlichen Ansatz bieten wir die bestmögliche, auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ausgerichtete Pflege an, immer in Zusammenarbeit mit den verschiedensten Disziplinen.
Gleichzeitig wird der Patient wenn möglich von Beginn weg in den Pflegeprozess einbezogen. Dies alles erfordert vom Pflegepersonal ein äusserst breites Spektrum an Fachwissen, eine hohe Bereitschaft zur permanenten Fort- und Weiterbildung und sicher auch grosse Flexibilität, viel Organisationsgeschick und den ressourcengerechten Einsatz der Mittel.
Des Weiteren ist es aufgrund der laufenden Verkürzung der Aufenthaltsdauer sehr wichtig, schon beim Eintritt des Patienten ein professionelles Austrittsmanagement anzuwenden.
Wie wirkt sich die Komplexität der Krankheitsbilder auf Ihre Arbeit aus?
In dieser Beziehung sind die Anforderungen an das Pflegefachpersonal stark gestiegen. Der Patient muss immer in seiner Gesamtheit erfasst und behandelt werden, was bei Mehrfacherkrankungen, chronischen Verläufen, aber auch bei hohem Alter und den damit einhergehenden Beschwerden sehr anspruchsvoll ist.
Es ist dieser Blick auf das Ganze, bei gleichzeitiger Spezialisierung einzelner Fachbereiche (z.B. Onkologie, Palliative Care, Akutgeriatrie etc.), der unsere Arbeit so interessant, abwechslungsreich, aber auch äusserst herausfordernd macht.
Nicht zuletzt steigen die Ansprüche sowohl der Patienten als auch ihrer Angehörigen und der Gesellschaft, was sich immer mehr auf den Pflegealltag resp. den Pflegeprozess auswirkt. Somit sind es nicht einzelne Krankheitsbilder, sondern deren Zusammenspiel, die hochentwickelten Behandlungsformen, die (psycho)sozialen Aspekte und die Einflüsse der verschiedensten Disziplinen, welche die Komplexität ausmachen.