Mit Immuntherapie erfolgreich gegen Krebs
Der menschliche Körper verfügt über einen sehr effektiven Schutzschild: das Immunsystem. Im Lauf der Evolution hat sich dieser Mechanismus über Millionen von Jahren darauf spezialisiert, uns zuverlässig vor Infektionen zu schützen und fremde Organismen wie Viren, Bakterien oder Parasiten abzuwehren.
«Wir behandeln die Patientinnen und Patienten, nicht den Krebs.»
Nun wird das Immunsystem dazu genutzt, Krebs zu behandeln. Immuntherapie heisst die neue Behandlungsmethode, in die grosse Hoffnungen gesetzt werden. Durch die Immuntherapie werden die Tumorzellen nicht direkt angegriffen, dies im Gegensatz zur Chemotherapie.
«Die Immuntherapie aktiviert vielmehr das körpereigene Immunsystem. Dieses sucht dann die Tumorzellen und zerstört sie», sagt Prof. Dr. med. Miklos Pless, Chefarzt und Klinikleiter, Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie und Leiter des Tumorzentrums Winterthur. «Wir behandeln also direkt die Patientin oder den Patienten, nicht den Krebs.»
Den Tumor in Schach halten
Erika F. profitiert von der neuen Therapie. Seit Ende 2015 kommt die heute 62-Jährige zweimal pro Monat ans KSW, wo ihr per Infusion die Medikamente verabreicht werden, die das Immunsystem ankurbeln. Die Wirkung ist positiv: Der Tumor auf der Lunge und auch die Ableger in der Leber haben sich zurückgebildet. Mit der Immuntherapie ist ihr Körper in der Lage, den Krebs in Schach zu halten. Alle drei Monate kommt Erika F. für eine Computertomographie ans KSW; damit wird kontrolliert, ob der Tumor nicht wieder zu wachsen beginnt.
«Dank der Immuntherapie leben viele Patientinnen und Patienten länger»
Immuntherapie wird am KSW nicht nur bei Lungenkrebs mit Erfolg eingesetzt. Auch bei schwarzem Hautkrebs, Blasen- und Nierenkrebs bringen die Medikamente die Immunabwehr dazu, den Tumor zu kontrollieren. «Dank der Immuntherapie leben viele Patientinnen und Patienten länger», sagt Prof. Pless. Die besten Ergebnisse werden bei schwarzem Hautkrebs erzielt; er kann selbst in einem fortgeschrittenen Stadium noch kontrolliert werden.
Grosse Erwartungen weckt die Immuntherapie auch deshalb, weil die Medikamente besser verträglich sind. «Bei der Chemotherapie auftretende Beschwerden wie Übelkeit oder Müdigkeit kommen nicht vor. Die meisten Patientinnen und Patienten vertragen die Therapie besser», sagt Prof. Pless. Allerdings können auch bei der Immuntherapie Nebenwirkungen auftreten, immer dann, wenn der Körper auch gesunde Zellen angreift. Dann kann es zu Hautausschlägen, Durchfall oder einer Lungenentzündung kommen.
Bei 4 Arten von Krebserkrankung sind in der Schweiz Immuntherapien zugelassen und werden am KSW eingesetzt: bei Tumoren auf der Haut, der Lunge, der Blase und der Niere.
Die neuartige Therapie wird in der Regel dann eingesetzt, wenn die herkömmliche Behandlung keine Wirkung mehr zeigt. Das war bei Erika F. der Fall. Als bei der starken Raucherin 2013 ein Lungentumor entdeckt worden war, brachte die operative Entfernung keinen Erfolg. Eine Strahlen- und eine Chemotherapie, die später durchgeführt wurden, halfen nur vorübergehend, den Tumor zurückzudrängen. Besserung trat erst mit der Immuntherapie ein.
Kein Ersatz für Chemotherapie
Immuntherapien machen Chemotherapie und Strahlenbehandlungen aber nicht etwa überflüssig. Nicht bei allen Patientinnen und Patienten bildet sich der Tumor zurück. Bei einem Teil wird er stabilisiert, bei einem anderen Teil zeigt sich keine Wirkung, so dass die Behandlung nicht weitergeführt wird. Ganz auf die Therapie verzichtet wird bei Patientinnen und Patienten, die an schwerer Arthritis oder einer anderen gravierenden Autoimmunerkrankung leiden, bei der das Immunsystem bereits den eigenen Körper angreift.
Bis heute kann erst ein Teil der Tumorarten mit Immuntherapie behandelt werden. Die besten Resultate werden erzielt, wenn Tumoren durch einen Einfluss von aussen entstehen: bei Lungen-, Blasen- oder Nierenkrebs durch das Rauchen, bei schwarzem Hautkrebs durch das Sonnenlicht.
Bei anderen Tumoren zeigt sich kein Erfolg. Darunter sind häufige Arten wie Brust-, Prostata- oder Dickdarmkrebs. Umso intensiver wird weltweit daran geforscht, das Einsatzgebiet der Immuntherapie zu erweitern. Auch am Tumorzentrum des KSW, wo verschiedene klinische Studien durchgeführt werden.
Tumorzentrum als Dach der sieben Organzentren zertifiziert
Seit 2014 sind das Brustzentrum sowie das Bauchtumorzentrum des KSW nach den Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft als Organzentren zertifiziert, seit 2017 auch das gynäkologische Tumorzentrum. Das begehrte Qualitätslabel schreibt die Abläufe und Behandlungspfade vor und macht Vorgaben zu Fallzahl und Behandlungsqualität.
Nun macht das Tumorzentrum einen weiteren, grossen Schritt. Vier zertifizierte Organzentren kommen hinzu: das urologische, das Lungen-, das Weichteil- und Knochen- sowie das Tumorzentrum für Lymphome (Schwellungen der Lymphknoten) und Leukämien.
«Damit haben alle unsere Patientinnen und Patienten Gewähr, dass sie nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden»
Gleichzeitig wird das Tumorzentrum als Dach der Organzentren zertifiziert. Das KSW ist erst das siebte Spital in der Schweiz, das diese Auszeichnung erhält. Die erste Hürde ist bereits im Mai 2017 gemeistert worden, der Abschluss der Zertifizierung erfolgt Mitte 2018. «Damit haben alle unsere Patientinnen und Patienten Gewähr, dass sie nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden», sagt Prof. Dr. med. Miklos Pless, der Leiter des Tumorzentrums Winterthur.
Wichtige Zertifizierung
Die Zertifizierung ist deshalb so wichtig, weil sich das Wissen in der Tumorbehandlung rasant mehrt und weil die Spezialisierung zunimmt. «Um in jedem einzelnen Fall die bestmögliche Behandlung festzulegen, müssen die Fachleute der verschiedenen Disziplinen sich absprechen und ihr Vorgehen koordinieren», sagt Prof. Pless. Mit den Tumorboards und den definierten Behandlungsschritten ist dies am KSW garantiert.